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„Laissez-faire“ bald an Brandenburger Schulen?

Vor gut 20 Jahren erklärte die Europäische Union, in Zeiten eines starken europäischen Wirtschaftswachstums und der Globalisierung, dass jeder europäische Bürger neben seiner Muttersprache mindestens noch zwei andere Sprachen wenigstens konversationssicher beherrschen sollte. Dieses Vorhaben machte sich bald in der Bildungspolitik bemerkbar und so wurden neue Lehrpläne, auch an deutschen Schulen, geschaffen oder der bekannte Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für die Einstufung verschiedener Sprachlevels entwickelt. Die Erlernung fremder Sprachen ist damit ein Grundkonzept der Europäischen Idee und des wirtschaftlichen Fortschritts.

Rund 270.000 Schülerinnen und Schüler an Brandenburger Schulen erlernen im Schuljahr 2015/2016 zunächst Englisch als erste Fremdsprache und müssen diese bis zur 12. Klasse fortführen. Dass Englisch mittlerweile in europäischen Ländern mit starker Wirtschaftskraft zur „lingua franca“ avanciert ist, ist spätestens seit der Umstellung der Konzernsprache von VW auf Englisch keine Neuigkeit mehr. Im Gegenteil: Bilinguale Kindergärten oder Schulen erleben einen regelrechten Boom.

An Brandenburger Schulen ist aber neben der englischen Sprache noch eine weitere Fremdsprache Pflicht in der gymnasialen Oberstufe. Die Schüler haben hierbei die Wahl zwischen den verschiedensten europäischen oder auch asiatischen Sprachen. Diese Wahl fällt zumeist auf die klassischen Fächer Französisch, Latein oder Russisch. Aber auch Spanisch oder Chinesisch erleben immer größeren Zuspruch bei den Schülern und ihren Eltern. Mit gut 600 Millionen Muttersprachlern auf der Welt sind europäische Sprachen wie Französisch oder Spanisch auch heute noch sehr wichtige Mittel der Kommunikation. Auch die lateinische Sprache, wenn auch eher unbeliebt bei Schülern und natürlich nicht mehr gesprochen, ist an vielen Universitäten Deutschlands auch heute noch eine Voraussetzung für die Zulassung zu bestimmten Studiengängen.

Doch das Brandenburger Ministerium für Bildung, Jugend und Sport möchte in Zukunft einen Schritt rückwärtsgehen. Ab 2021 sollen die zweiten Fremdsprachen in Brandenburg im Zusammenspiel mit den neuen Rahmenlehrplänen nicht mehr verpflichtend in der Oberstufe, also in der 11. und 12. Klasse, sondern nur noch in der 7., 8., und 9. Klasse, maximal noch in der 10., unterrichtet werden. Den Schulen selbst obliegt es dann, ob sie zweite Fremdsprachen noch in der Oberstufe anbieten wollen. Der Trend, wenn Schulen und Schüler sich für zweite Fremdsprachen entscheiden, geht, nach Erfahrungen im Saarland und in NRW, eher in Richtung des Englischen.

Mit derartiger Ignoranz gegenüber den sprachlichen Fächern würde es das MBJS maximal schaffen, Brandenburg im deutschlandweiten Bildungsvergleich nur noch rückständiger erscheinen zu lassen und dem Brandenburger Abitur einen noch provinzielleren Charakter zu verleihen. Außerdem würde durch den mangelnden Unterricht von Sprachen wie Französisch oder Spanisch ein großer Teil des modernen, multikulturellen und multilingualen Europas, in dem wir, genauso wie unsere nachfolgenden Generationen, miteinander aufwachsen wollen, wegfallen.

Trotz oder gerade wegen dieser antieuropäischen Aussichten, bleibt nichts weiter zu sagen als „Enrichissez-vous!“ – „Bereichert euch!“. Und lernt Sprachen, um voll und ganz am Zeitalter der Globalisierung teilhaben zu können.