Aktuelles

Mehr Sachlichkeit in der NC-Debatte!

Seit gestern verhandelt das Bundesverfassungsgericht, ob die NC-Beschränkung bei Studiengängen, insbesondere bei Medizin, gegen das Grundgesetz verstößt. Der begleitenden gesellschaftlichen Debatte fehlt es aber klar an Sachlichkeit, findet unsere stellvertretende Landesvorsitzende Laura.

Kein Studium ohne 1,0er-Abi?

Oft wird der Weg zum Medizinstudium als einspurige Straße dargestellt. Nur mit 1,0er-Abi wäre ein Medizinstudium möglich. Das geht meilenweit an der Realität vorbei. Bereits jetzt werden nur 20 Prozent der Studienplätze an Bewerber mit Bestnoten vergeben. Da die Bewerberzahl für das Medizinstudium deutlicher höher ist als die tatsächliche Anzahl an Studienplätzen, haben hier meist nur Bewerber, die ihr Abitur mit 1,0 abgelegt haben, eine Chance.

Doch bereits heute hat theoretisch jeder unabhängig von der Abiturnote die Möglichkeit, ein Medizinstudium zu beginnen. Denn nachdem sich das Bundesverfassungsgericht in den 1970er Jahren bereits einmal mit den Zugangsvoraussetzungen zum Medizinstudium beschäftigt hat, werden heute 20 Prozent der Studienplätze an die Bewerber mit den meisten Wartesemestern vergeben. Die verbleibenden 60 Prozent der Studienplätze, also die deutliche Mehrheit, wird über individuelle Auswahlverfahren der Universitäten vergeben. Hier werden die Bewerber beispielsweise in speziellen Tests und Auswahlgesprächen auf ihre Eignung für das Medizinstudium geprüft.

Auswahltest für mehr Gerechtigkeit?

Auf den ersten Blick wirken diese Auswahltests ziemlich gerecht und scheinen ein geeignetes Mittel zu sein, um die am besten für das Medizinstudium geeigneten Bewerber festzustellen. Doch der Schein trügt. Da jede Universität andere Auswahlverfahren hat, die zudem wenig mit in der Schule vermittelten Inhalten zu tun haben, ist eine Vorbereitung sehr aufwendig. Hier profitieren ganz klar Bewerber aus wohlhabenden Elternhäusern, da diese Materialen und Kurse zur Vorbereitung auf das Auswahlverfahren finanzieren können. Weil hier Wissen, welches in der Schule erworben wurde, eine untergeordnete Rolle spielt, sind Kinder von Ärzten ganz besonders privilegiert, wodurch Bildungsabschlüsse quasi „vererbt“ werden.

Auch ein anderer Aspekt spricht für das Abitur und gegen die Auswahlverfahren. Das Abitur bildet Leistung, welche über zwei Jahre erbracht wurde, ab. Wenn man in diesen zwei Jahren einen schlechten Tag hatte und eine schlechte Note kassiert hatte, dann gab es noch viele weitere Chancen, dies wieder auszugleichen. Fällt aber der Tag des Auswahltests oder -gespräches auf so einen schlechten Tag, an dem man leicht angeschlagen ist, vielleicht Stress mit dem Partner oder Probleme in der Familie hat, so gibt es keine zweite Chance.

Gute Schüler = gute Ärzte?

Häufig wird außerdem argumentiert, dass aus guten Abiturienten nicht zwangsläufig gute Ärzte werden. Zahlreiche Erhebungen an Universitäten verschiedener Bundesländer zeigen aber, dass eine gute Abiturnote in deutlichem Zusammenhang mit dem Studienerfolg steht. Je besser die Abiturnote der Studenten war, desto besser schnitten sie auch in den Abschlussprüfungen ihres Studienganges ab. Zu diesem Befund kam man nicht nur in Medizin, sondern in den meisten Studiengängen. An der Universität Mainz hat man sich von der Methode der Auswahlgespräche sogar schon wieder vollkommen abgewandt. „Gespräche sind höchst subjektiv, und die Aussagekraft für den Studienerfolg ist sehr gering“, sagt Bernhard Einig, Leiter der Abteilung Studium und Lehre. Bewerber, die über die Wartesemesterregelung zum Studium zugelassen wurden, fallen statistisch gesehen am häufigsten durch Prüfungen.

Was zu tun ist

Diskutiert man das Thema der Studienplatzvergabe sachlich, so wird schnell klar, dass der Numerus Clausus als Zulassungskriterium nicht so schlecht ist wie sein Ruf. Gut ist deswegen noch lange nicht alles. Das hauptsächliche Problem liegt nämlich nicht im Numerus Clausus an sich. Er ist nur ein Werkzeug, welches möglichst effektiv und gerecht festlegen soll, wer zugelassen wird, wenn es mehr Bewerber als Studienplätze gibt. Deshalb kann es auch sein, dass der Numerus Clausus in weniger beliebten Studiengängen auch erst bei 2,8 liegt oder gar nicht existiert.

Da wir in Deutschland und gerade in Brandenburg einen eklatanten Ärztemangel zu verzeichnen haben, sollten wir nicht ewig über den Numerus Clausus diskutieren, sondern lieber energisch fordern, die Anzahl an Medizinstudienplätzen zu erweitern. In Brandenburg ist es aktuell nicht möglich, an einer staatlichen Universität Medizin zu studieren. Der Ärztemangel ist also hausgemacht. Um dem landesweiten Ärztemangel zu begegnen und gleichzeitig Brandenburg als Studienort attraktiver zu machen sollten wir langfristig über die Einrichtung medizinischer Fakultäten reden.

Der Zugang zum Medizinstudium soll aber weiterhin mehrspurig verlaufen und in seiner Ausgestaltung mehrheitlich in der Hand der Universitäten liegen. Verbessern sollten wir aber die Zugangsvoraussetzungen für Bewerber mit abgeschlossener Berufsausbildung im Gesundheitsbereich. Denn auch dort beklagen wir Fachkräftemangel, dem wir entgegenwirken können, wenn wir pflegerische Berufe finanziell und bezüglich der Weiterbildungschancen aufwerten. So wird eine pflegerische Ausbildung vielleicht auch eine attraktive Alternative für jene, die bisher nicht zum Medizinstudium zugelassen wurden.